über das Schreiben
»Es gibt eine Muse, aber er (Anmerkung: Hier ist es eine männliche) kommt bestimmt nicht in Ihr Arbeitszimmer geschwebt und streut kreativen Sternenstaub auf Schreibmaschine oder Computer. Er lebt unter der Erde. Er kommt aus der Schattenwelt. Sie müssen sich in die Tiefe graben und dort eine Höhle bauen, in der er leben kann. Die müssen Sie auch einrichten.
Anders ausgedrückt: Sie müssen die ganze Schweißarbeit machen, während sich der Musentyp hinfläzt, Zigarren raucht und so tut, als seien Sie nicht vorhanden.«. Stephen King
Schriftstellerei ist Arbeit. Meistens jedenfalls.
Aber die meisten Schriftstellerinnen und Schriftsteller werden bestätigen, dass es auch eine Obsession ist. Wenn eine Idee kommt, wenn sie geschrieben werden will, dann bricht sie sich Bahn und fesselt mich an die Tastatur. Wenn das reale Leben es zulässt, schreibe ich dann wie eine Wahnsinnige, Zeichen und Zeichen, Wort um Wort, Seite um Seite.
Wenn man sich Schreibratgeber ansieht, wird einem in der Regel geraten, sich einen sogenannten Plot zu erstellen. Das bedeutet nichts anderes, als dass man sich von Anfang an über jede Handlung eines jeden Darstellers zu jedem Zeitpunkt der Geschichte im Klaren
sein soll. Ein vollkommen durchdachter Plan also, der dann quasi nur noch abgearbeitet werden muss.
Der Meister persönlich hingegen sieht das in seinem Schreibratgeber ›Das Leben und das Schreiben‹ (ISBN:3-453-19927-8 Heyne-Verlag) vollkommen anders:
»Ich versetzte Figuren (manchmal zwei, vielleicht auch nur eine) in eine missliche Lage und sehe dann zu, wie sie versuchen, sich daraus zu befreien. Meine Aufgabe ist es nicht, ihnen den Weg freizuschaufeln oder Sicherheit zu verschaffen, …, sondern das Geschehen zu beobachten und es schriftlich festzuhalten.
… Oft habe ich eine gewisse Vorstellung, wie das Ganze ausgehen könnte, aber noch nie habe ich von den Figuren verlangt, dass sie meinen Erwartungen entsprechen. Ganz im Gegenteil: Sie sollen auf ihre Weise handeln. In manchen Fällen geht es so aus, wie ich es mir vorgestellt habe. Meistens aber hätte ich mit dem Ausgang niemals gerechnet.« Stephen King
Genau nach dieser Methode schreibe ich auch. Kann ich nur schreiben.
Ich habe es wirklich versucht! Ich habe einen Plot erstellt, habe meine Geschichte nach der Schneeflockenmethode bearbeitet – und musste am Ende feststellen, dass sie tot war. Der Spaß, die Entwicklung der Charaktere während der Geschichte zu beobachten, war weg. Es
gab nichts mehr, was ich hätte erzählen können. Es wäre bestenfalls noch ein Schulaufsatz geworden, ohne Spannung, ohne Leben.
»Es kommt der Moment, in dem ein Charakter etwas tut oder sagt, über das Du nicht nachgedacht hattest. In dem Moment ist er lebendig und Du überlässt den Rest ihm.« Graham Greene
Mit dieser kleinen Ausführung möchte ich all jenen Mut machen, die ebenso wie ich beinahe daran verzweifeln, nicht dem ›korrekten Abbild‹ eines Schriftstellers zu entsprechen.
Glaubt mir: Jeder, der eine Geschichte vollständig zu Papier gebracht hat, ist ein Schriftsteller. Es ist egal, auf welchem Weg.